Montag, 9. August 2010

DIE ROLLE DER GOTTESMUTTER IN DER GEGENREVOLUTION

Plinio Corrêa de Oliveira


Viele Katholiken kennen und bewundern heute das Werk des großen und ungestümen Volksmissionars des 18. Jahrhunderts, des hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort.


Weniger zahlreich sind die Katholiken, die die ganze Wichtigkeit der Rolle Unserer Lieben Frau in der Gegenrevolution verstanden haben und die folglich auch die Notwendigkeit der Hingabe an Maria - unerlässlich für die wahren Gegenrevolutionäre - erkannt haben. Wir veröffentlichen hier das Vorwort zu der argentinischen Ausgabe des weltbekannten Werks "Revolution und Gegenrevolution" von Prof. Plinio Corrêa de Oliveira. Der Autor belegt in diesem Prolog die Übereinstimmungen seines Buches mit der Abhandlung des hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort über die vollkommene Hingabe an Jesus durch Maria.
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Der hl. Ludwig Maria wurde 1673 in Montfort-sur-Meu oder Montfort-la-Cane in der Bretagne geboren. Im Jahre 1700 zum Priester geweiht, widmete er sich bis zu seinem Tode im Jahre 1716 der Verkündigung des Wortes Gottes in Volksmissionen bei der ländlichen und städtischen Bevölkerung der Bretagne und der Normandie, des Poitou, der Vendée, von Aunis, Saintonge, Anjou und Maine. Die Orte, in denen er predigte, selbst die bedeutendsten unter ihnen, lebten zum großen Teil von der Landwirtschaft und waren tief vom ländlichen Leben geprägt. So kann man den hl. Ludwig Maria, auch wenn er nicht ausschließlich den Bauern gepredigt hat, im wesentlichen als einen Apostel der Landbevölkerung betrachten.


In seinen Predigten, die modern ausgedrückt, höchst a up-to-date " genannt werden könnten, beschränkte er sich nicht darauf, die katholische lehre in einer immer und überall passenden Ausdrucks weise zu verkünden, sondern er verstand es, die wichtigsten Gesichtspunkte für die Gläubigen, die item zuhörten, hervorzuheben.


Seine Art von "aggiornamento" würde wahrscheinlich viele der Anhänger des modernen "aggiornamento" außer Fassung bringen. Die Irrtümer seiner Zeit sah er nicht einfach ais die Früchte intellektueller Missverständnisse an, die auf Menschen unleugbar guten Glaubens zurückzuführen gewesen wären - Irrtümer, die ein geschicktes und aufgescholossenes Gespräch leicht zerstreut haben würde. Obwohl er immer zu einem freundlichen und gewinnenden Dialog bereit war, verlor er doch nie den ganzen Einfluss der Erbsünde und der zeitlichen Sünden sowie die gewaltige Aktivität des Fürsten der Finsternis in der Entstehung und Entwicklung des Kampfes der Bosheit gegen die Kirche und die christliche Zivilisation aus den Augen. Das berühmte Dreigestirn Teufel, Welt und eigenes Fleisch, das in den Überlegungen der orthodoxen Theologen und Missionare zu allen Zeiten gegenwärtig ist, betrachtete er ais eines der grundlegenden Elemente zur Deutung der Probleme seines Jahrhunderts. Und so verstand er es, je nachdem die Umstände es verlangten, einmal sanft und mild zu sein wie ein Engel, der ein Bote der Liebe bzw. der Vergebung Gottes ist, ein andermal kämpferisch und unbesiegbar wie ein Engel, der den Auftrag hat, die Drohungen der göttlichen Gerechtigkeit gegen aufsässige und verstockte Sünder anzukündigen. Dieser große Apostel konnte abwechselnd den Dialog pflegen und polemisieren. Der Polemiker in ihm verhinderte nicht das Ausströmen der Liebe des guten Hirten noch schwächte die pastorale Sanftmut die heilige Strenge des Polemikers.


Mit diesem Beispiel sind wir weit entfernt von gewissen Progressisten, für die alle unsere getrennten Brüder - Häretiker und Schismatiker - notwendigerweise im guten Glauben leben und nur durch Missverständnisse verirrt sind, so dass eine Auseinandersetzung mit ihnen immer einen Verstoß gegen die Nächstenliebe bedeute.


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Die französische Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts (unser Heiliger lebte, wie wir sagten, am Ende des einen und in den ersten Jahrzehnten des anderen) war geitig schwer erkrankt. Damit stand sie offen für die widerstandslose Einimpfung der Keime des Enzyklopädismus und schließlich für den Sturz in die Katastrophe der Französischen Revolution.

Um die Predigttätigkeit unseres Heiligen zu verstehen, ist es notwendig, ein Bild der französischen Gesellschaft zu zeichnen, das jedoch, um den Rahmen des Themas nicht zu sprengen, stark vereinfacht ist. Man kann sagen, dass in den drei Gesellschaftsklassen - Klerus, Adel und Volk - die Vertreter von zwei Geisteshaltungen vorherrschten: die "Laxisten" und die "Rigoristen" waren einem strengen, formellen und düsteren Moralismus verfallen, der zur Verzweiflung, wenn nicht zur Rebellion führte. Der "Mundanismus" und der "Jansenismus" waren die zwei Pole, die einen unheilvollen Einfluss ausübten, und das gerade in den Kreisen, die damals als die frömmsten und moralisch gefestigtsten der Gesellschaft angesehen waren.


Die eine wie die andere Geisteshaltung führte zum selben Ergebnis - wie das ja so oft bei den Extremen des Irrtums der Fall ist. Letztlich hat jede auf ihre Weise die Gläubigen von dem gesunden geistigen Gleichgewicht der Kirche entfernt. Diese lehrt uns die Sanftmut und die Strenge, die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit in einer bewundernswerten Harmonie. Sie bestätigt uns auf der einen Seite die natürliche, gottgewollte Größe des Menschen - überhöht durch seine Erhebung in die übernatürliche Ordnung und seine Einfügung in den Mystischen Leib Christi - und lässt uns auf der anderen Seite das Elend sehen, in das uns die Erbsünde gestürzt hat, mit seiner ganzen Folge unheilvoller Konsequenzen.


Nichts scheint auf den ersten Blick widernatürlicher als die Verschwörung der extremen, gegensätzlichen Irrtümer gegen den Apostel, der die echte katholische Lehre predigte. Aber das wahre Gegenteil der Einseitigkeit ist nicht die entgegengesetzte Einseitigkeit, sondern das Gleichgewicht. Dementsprechend lässt der Hass, der die Verfechter der gegensätzlichen Irrtümer anstachelt, sie nicht gegeneinanderprallen, sondern er vereint sie im Kampf gegen die Apostel der Wahrheit. Und dies besonders dann, wenn diese Wahrheit mit kraftvollem Freimut verkündet wird und diejenigen Punkte betont, die sich am schärfsten von den Irrtümern, die gerade in Mode sind, unterscheiden.


Genau dasselbe widerfuhr dem hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort bei seiner Verkündigungstätigkeit. Seine Predigten, die gewöhnlich vor riesigen Volksmengen gehalten wurden, gipfelten nicht selten in wahren Apotheosen der Zerknirschung, Reue und Begeisterung. Seine klare, flammende, tiefgehende und überzeugende Rede rüttelte die Seelen auf, welche durch tausenderlei Arten der Verweichlichung und Sinnlichkeit geschwächt waren, die sich zu dieser Zeit in allen Gesellschaftsschichten, von den höchsten bis zu den einfachsten, breitgemacht hatten. Am Ende seiner Predigten errichteten die Zuhörer auf den Marktplätzen oft Stöße von frivolen und sinnlichen Gegenständen sowie gottlosen Büchern und setzten sie in Brand. Während die Flammen ihr Werk verrichteten, ergriff unser unermüdlicher Missionar erneut das Wort und rief das Volk zur sittlichen Festigkeit auf. Dieses Werk der moralischen Erneuerung hatte ein zutiefst übernatürliches und frommes Ziel: Der gekreuzigte Christus, sein kostbares Blut, seine hochheiligen Wunden und die Schmerzen Mariens waren Ausgangspunkt und Ende seiner Predigten. Deshalb regte er in Pontchâteau die Errichtung eines großen Kalvarienberges an, welcher der Mittelpunkt der geistigen Bewegung werden sollte, die von ihm hervorgerufen worden war.


Im Kreuz sah unser Heiliger den Brunnen einer höheren Weisheit, der christlichen Weisheit, die den Menschen lehrt, in den geschaffenen Dingen Offenbarungen und Zeichen Gottes zu sehen und zu lieben; den Glauben über die stolze Vernunft zu stellen sowie den Glauben und die rechte Vernunft über die rebellierenden Gefühle; die Moral über den ungezügelten Willen, das Geistige über das Materielle, das Ewige über das Zufällige und Vergängliche.


Aber dieser glühende Prediger der echten christlichen Sittenstrenge hatte nichts von der verschlossenen, galligen und engherzigen Sittenstrenge, die einem Savonarola oder einem Calvin eigen ist. Sie war vielmehr besänftigt durch eine liebevolle Hingabe an Unsere Liebe Frau.


Man kann sagen, dass niemand die Hingabe an die Mutter der Barmherzigkeit auf eine höhere Stufe gehoben hat als er. Unsere Liebe Frau, durch göttliche Erwählung notwendige Mittlerin zwischen Jesus Christus und den Menschen, war der Gegenstand seiner ständigen Verehrung, das Thema seiner tiefsten und ureigensten Meditationen. Kein ernsthafter Kritiker kann ihnen das Prädikat genialer Eingebungen absprechen. Um die universelle Mittlerschaft Mariens - heute Glaubenswahrheit - baute der hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort eine ganze Mariologie auf, die das größte Denkmal aller Jahrhunderte für die jungfräuliche Mutter Gottes darstellt.


Das sind die Hauptzüge seiner bewundernswerten Predigten. Dieses gesamte Predigtwerk ist durch den Heiligen in seinen drei Hauptschriften zusammengefasst worden: dem "Rundbrief an die Freunde des Kreuzes", der "Liebe zur Ewigen Weisheit" und der Abhandlung über "die vollkommene Hingabe an Jesus durch Maria", eine bewundernswerte Trilogie von lauter Gold und Feuer, aus der, gleichsam als Meisterwerk unter den Meisterwerken, die "vollkommene Hingabe an Jesus durch Maria" hervorragt.


Diesen Werken können wir entnehmen, worin der wesentliche Gehalt der Predigt des hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort bestand. Unser Heiliger war ein großer Verfolgter. Dieser Grundzug seines Lebens wird von allen seinen Biographen überliefert.


Ein wütender Sturm hatte sich gegen seine Predigt erhoben, entfesselt von den bloß weltlich Gesinnten; von den Skeptikern, die wütend waren angesichts so viel Glaubens und sittlichen Ernstes und schließlich den Jansenisten, die sich entrüsteten über eine derart große Hingabe an Unsere Liebe Frau, von der eine unbeschreibliche Sanftheit und Milde ausströmte.


Ein Wirbelsturm erhob sich gegen ihn - sozusagen in ganz Frankreich. Nicht selten wurden, wie es 1705 in Poitiers geschah, seine großartigen Autodafés gegen die Sittenlosigkeit auf Anordnung der kirchlichen Behörden abgebrochen, wodurch diese die Zerstörung der Mittel der Destruktion verhinderten. In fast allen Diözesen Frankreichs gab man ihm Predigtverbot. Nach 1711 gestatteten ihm allein die Bischöfe von La Rochelle und Luçon die Missionstätigkeit, und im Jahre 1710 befahl Ludwig XIV. die Zerstörung des Kalvarienbergs von Pontchâteau.


Angesichts dieser ungeheuren Gewalt des Bösen zeigte sich unser Heiliger als Prophet. Mit feurigen Worten deckte er die Krankheitskeime auf, die Frankreich unterminierten, und sagte einen katastrophalen Umsturz voraus, der sich aus ihnen ergeben müsse. Das Jahrhundert, in dem der hl. Ludwig Maria starb, sollte nicht zu Ende gehen, bevor nicht die Französische Revolution auf unheilvolle Weise seine Vorhersage bestätigt hatte.


Eine Tatsache, die symptomatisch ist und zugleich mit Begeisterung erfüllt, ist die, dass die Gegenden, in denen unser Heiliger die Freiheit hatte, seine Lehre zu verkünden und wo das einfache Volk ihr Folge leistete, diejenigen waren, in denen die Chouans mit der Waffe in der Hand sich gegen die Gottlosigkeit und die Subversion erhoben. Dies waren die Nachkommen der Bauern, die der große Heilige durch seine Mission gefestigt hatte und die dadurch vor den Keimen der Revolution bewahrt worden waren.


Soviel über die Beziehung des Meisterwerks dieses großen Heiligen zum Inhalt unseres im Vergleich dazu bescheidenen Essays, der uns nun beschäftigen soll.


Zunächst wollen wir einige Gedanken, die in "Revolution und Gegenrevolution" enthalten sind, hier vorlegen.


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Die Revolution wird in dem genannten Werk als ein gewaltiger Prozess von Strömungen, Lehren, politischen, sozialen und ökonomischen Wandlungen dargestellt, der im letzten, um nicht zu sagen im allerletzten, von einem moralischen Verfall herrührt, der von zwei Hauptlastern bewirkt wird - dem Hochmut und der Sinnlichkeit -, die im Menschen eine grundlegende Unvereinbarkeit mit der katholischen Lehre hervorrufen. Die katholisch Kirche, so wie sie ist; die Lehre, die sie vor Augen stellt; die gesamte Welt, die Gott geschaffen hat und die wir erkennen können, so glänzend in ihren verschiedenen Aspekten - all das erregt in dem tugendhaften, dem reinen und demütigen Menschen eine tiefe Bewunderung und Verehrung. Er empfindet Freude darüber, zu sehen, dass die Kirche und die Welt so sind, wie sie sind.


Aber wenn ein Mensch dem Laster des Stolzes oder der Sinnlichkeit ein wenig nachgibt, fängt eine Unvereinbarkeit mit den verschiedenen Aspekten der Kirche und der Ordnung der Welt in ihm an zu entstehen. Diese Unvereinbarkeit kann sich zum Beispiel zeigen in einer Abneigung gegenüber dem hierarchischen Charakter der Kirche; sie kann sich aufspalten und auch die Hierarchie der weltlichen Gesellschaft betreffen; sie kann sich ferner in Hinblick auf die hierarchische Ordnung der Familie manifestieren. Und so kann ein Mensch durch die verschiedenen Formen des der Gleichmacherei in eine weltanschauliche Position geraten, in der er jedwede Ungleichheit sowie den hierarchischen Charakter der Welt verurteilt. Das wäre dann das Resultat des Hochmuts auf weltanschaulichem Gebiet.


In gleicher Weise kann man die Folgen der Sinnlichkeit für das menschliche Denken umreißen. Der unreine Mensch beginnt im allgemeinen, dem Liberalismus zuzuneigen: ihn irritiert die Existenz einer Vorschrift, einer Bremse, eines Gesetzes, das dem Überschiessen seiner Sinne Grenzen setzt. Und damit erscheint alles Asketische ihm unsympathisch. Aus dieser Abneigung entsteht natürlich auch eine Aversion gegen das Autoritätsprinzip, und so fort. Der Wunsch nach einer im wahrsten Sinne des Wortes anarchischen Welt - ohne Gesetze und ohne Institutionen -, in welcher der Staat nur eine riesige Genossenschaft wäre, das ist die höchste Entfaltung des Liberalismus, den die Unreinheit erzeugt hat.


Sowohl aus dem Stolz wie aus dem Liberalismus erwächst das Verlangen nach einer totalen Gleichheit und Freiheit, das den Kern des Kommunismus ausmacht.


Ausgehend vom Stolz und von der Sinnlichkeit entstehen so die bestimmenden Elemente eines Weltbildes, das dem Werk Gottes diametral entgegengesetzt ist. Diese Auffassung unterscheidet sich schließlich von der katholischen Lehre nicht nur in dem einen oder anderen Punkt. In dem Maße, als im Fortgang der Generationen diese Laster tiefer in die Menschen eindringen und sich verschärfen, tragen sie zur Bildung einer total gnostischen und revolutionären Weltanschauung bei. Die Vereinzelung (Individualisierung), die für die Gnosis ein Übel bedeutet, ist ein Grundsatz der Ungleichheit. Die Hierarchie - auf welchem Gebiet auch immer - ist die Tochter der Individualisierung. Die Welt befreit sich - nach der Gnostik - von der Vereinzelung und der Ungleichheit in einem Prozess der Zerstörung des "ich", das die Einzelnen im großen, homogenen Ganzen vereinigt. Die Verwirklichung der absoluten Gleichheit und ihrer Folge, der völligen Freiheit, unter den Menschen (in einer anarchischen Gesellschaftsordnung) kann als Vorbereitungsstufe zu dieser vollkommenen Aufsaugung des einzelnen angesehen werden.


Es ist nicht schwer, in dieser Hinsicht einen Zusammenhang zwischen Gnosis und Kommunismus zu erkennen.


Somit ist die Doktrin der Revolution die Gnosis, und ihre tiefsten Ursachen haben ihre Wurzeln im Stolz und in der Sinnlichkeit. Ist der moralische Charakter dieser Ursachen gegeben, dann erweist sich das ganze Problem von Revolution und Gegenrevolution im tiefsten und grundsätzlich als ein moralisches Problem. Was in der Abhandlung "Revolution und Gegenrevolution" festgestellt wird, ist dies: Dass die Revolution, wenn es nicht durch den Stolz und die Sinnlichkeit geschähe, als organisierte Bewegung auf der ganzen Welt nicht existieren würde, ja nicht einmal möglich wäre.


Wenn also nun im Kern des Problems von Revolution und Gegenrevolution eine Frage der Moral vorliegt, dann ist es auch und vor allem eine religiöse Frage; denn alle moralischen Fragen sind von ihrem Wesen her religiös. Es gibt keine Moral ohne Religion. Eine Moral ohne Religion ist das unbeständigste Ding, das man sich vorstellen kann. Jedes moralische Problem ist daher grundlegend religiös. So gesehen ist der Kampf zwischen Revolution und Gegenrevolution in seinem Wesen ein religiöser Kampf. Wenn es ein religiöser Kampf ist und wenn es sich um eine moralische Krise handelt, die den revolutionären Geist erzeugt, dann kann man nur mit Hilfe der Gnade aus dieser Krise herauskommen und ihr Lösung bringen.


Es ist ein Dogma der Kirche, dass die Menschen die Vorschriften der katholischen Morallehre, die im Alten und Neuen Testament zusammengefasst sind, allein mit natürlichen Hilfsmitteln auf Dauer und vollständig nicht befolgen können. Um die Gebote erfüllen zu können, ist die Gnade notwendig.


Auf der anderen Seite wird es dem Menschen, wenn er in den Zustand der Sünde gefallen ist und die Begierde nach dem Bösen bei ihm sich ansammelt, nicht gelingen, aus diesem Zustand, in den er gefallen ist, sich wieder zu erheben ohne die Hilfe der Gnade.


Da von der Gnade jede echte sittliche Bewahrung oder jede wahre moralische Erneuerung herrührt, ist es leicht, die Rolle der Mutter Gottes im Kampf zwischen der Revolution und der Gegenrevolution zu sehen. Die Gnade hängt ab von Gott; nichtsdestoweniger aber wollte Gott durch einen freien Akt seines Willens die Austeilung der Gnaden von Unserer Lieben Frau abhängig machen. Maria ist die universale Mittlerin, der Kanal, durch den alle Gnaden strömen. Demnach ist ihre Hilfe unerlässlich, um eine Revolution zu verhüten bzw. um sie zu besiegen durch die Gegenrevolution. Tatsächlich wird derjenige, der die Gnade durch ihre Vermittlung erfleht, sie auch erhalten. Wer sie ohne die Hilfe Mariens zu erlangen sucht, wird sie nicht erhalten. Wenn die Menschen der Gnade, die sie empfangen, entsprechen, dann verschwindet die Revolution automatisch. Umgekehrt ist es unausweichlich, dass die Revolution aufflammt und triumphiert, wenn sie ihr nicht entsprechen. Deshalb ist die Hingabe an die Mutter Gottes Bedingung "sine qua non" für die Beseitigung der Revolution und für den Sieg der Gegenrevolution.


Ebenso, wenn ein Land den notwendigen und ausreichenden Gnaden treu bleibt, die es von Unserer Lieben Frau empfängt und wenn die Befolgung der Gebote in ihm Allgemeingut wird, ist es unausbleiblich, dass eine gute Gesellschaftsstruktur entsteht. Denn mit der Gnade kommt die Weisheit und mit der Weisheit nehmen. alle Aktivitäten der Menschen ihren natürlichen, rechten Lauf.


Dies wird in gewisser Weise bestätigt, wenn man den Zustand analysiert, in dem sich die Zivilisation heute befindet. Gegründet auf eine Zurückweisung der Gnade, wird sie einige aufsehenerregende Resultate erzielen, die jedoch den Menschen verschlingen. In dem Maße, als sie den Laizismus zur Grundlage hat und unter verschiedenen Gesichtspunkten die natürliche Ordnung, die von der Kirche gelehrt wird, verletzt, ist die heutige Zivilisation schädlich für den Menschen.


Solange die Verehrung Unserer Lieben Frau glühend, tief und von reichem theologischen Gehalt ist, wird das Gebet des Bittenden selbstverständlich erhört werden. Die Gnaden werden auf den herabkommen, der andächtig und eifrig darum bittet. Wenn jedoch die Verehrung falsch oder lau ist, bedeckt durch Vorbehalte jansenistischen oder protestantischen Geschmacks, besteht ernste Gefahr, dass die Gnade weniger reich erteilt wird, weil sie von menschlicher Seite aus auf unheilvollen Widerstand stößt. Was vom Menschen gesagt ist, gilt "mutatis mutandis" von der Familie, von einer Region, einem Land oder von jeder anderen menschlichen Gemeinschaft.


Man sagt, im Haushalt der Gnade sei Unsere Liebe Frau der Hals des mystischen Leibes, dessen Haupt unser Herr Jesus Christus ist, weil alles durch sie hindurchfließt. Das Bild kennzeichnet treffend die Wirklichkeit im geistlichen Leben. Jemand, der Unserer Lieben Frau wenig Verehrung entgegenbringt, ist wie ein Mensch, um dessen Hals eine Schlinge gezogen ist und der gerade noch ein klein wenig Luft bekommt. Wenn er überhaupt keine Verehrung bezeigt, erstickt er. Hat er jedoch eine große Verehrung, so bleibt der Hals ganz frei, und die Luft strömt überreich in seine Brust; der Mensch kann normal leben.


Die Sterilität und sogar Schädlichkeit all dessen, was gegen das Wirken der Gnade geschieht, und die überaus große Fruchtbarkeit dessen, was man mit ihrer Hilfe tut, bestimmen genau die Stellung Unserer Lieben Frau in diesem Kampf zwischen Revolution und Gegenrevolution; denn die Intensität der empfangenen Gnaden hängt von der mehr oder weniger großen Verehrung ab, welche die Menschen ihr gezollt haben.


Doch eine Gesamtsicht der Revolution und der Gegenrevolution kann nicht bei diesen Betrachtungen stehen bleiben. Die Revolution ist nicht allein die Frucht der menschlichen Bosheit. Sie öffnet letztlich dem Teufel Tür und Tor und lässt sich von ihm anregen, antreiben und steuern.


In diesem Zusammenhang ist es nun wichtig, die Gegnerschaft zwischen Unserer Lieben Frau und dem Teufel zu sehen. Die Rolle des Teufels beim Ausbruch und im Fortgang der Revolution war enorm. Für logisches Denken ist es klar, dass eine so tiefe und allgemeine Explosion ungeordneter Leidenschaften, wie diejenige war, welche der Revolution zum Ursprung verhalf, ohne den Einfluss außernatürlicher Kräfte sich nicht ereignet hätte. Weiterhin wäre es schwierig gewesen, dass der Mensch diese extremen Stufen der Grausamkeit, Gottlosigkeit und Gemeinheit erreicht hätte, wie sie die Revolution mehrere Male im Lauf der Menschheitsgeschichte aus sich entlassen hat, wenn es nicht unter der Mithilfe des bösen Geistes geschehen wäre.


Nun gut, dieser so starke Antriebsfaktor steht ganz in der Abhängigkeit von Unserer Lieben Frau. Es genügt, dass sie einen Bannstrahl gegen die Hölle schleudert, und diese erzittert, läuft irre, flieht und verschwindet von der menschlichen Szene. Hinwiederum genügt es, dass sie, zur Züchtigung der Menschen, dem Teufel einen gewissen Aktionsradius überlässt, und seine Tätigkeit schreitet voran. So hängen die beiden gewaltigen Faktoren der Revolution und der Gegenrevolution, nämlich der Teufel und die Gnade, von ihrer Macht und von ihrer Herrschaft ab.


Die Betrachtung dieser souveränen Macht Unserer Lieben Frau erinnert uns an die Idee vom Königtum Mariens. Man darf diese Königswürde nicht als einen bloß dekorativen Titel sehen. Obwohl ganz dem Willen Gottes unterworfen, bedeutet das Königtum Unserer Lieben Frau eine echte persönliche Regierungsgewalt.


Gelegentlich einer Rede benutzte ich einmal ein Bild, das es erleichtert, die Rolle der Muttergottes als Königin zu verstehen. Man stelle sich den Direktor einer Schule mit reichlich aufsässigen Schülern vor. Er bestraft sie mit eiserner Autorität. Nachdem er sie zur Ordnung gerufen hat, zieht er sich zurück und sagt zu seiner Mutter: "Ich weiß, dass du diese Schule anders leiten würdest, als ich das jetzt getan habe. Du hast ein mütterliches Herz. Nachdem ich sie nun bestraft habe, möchte ich jetzt, dass du sie mit Freundlichkeit führst". Die Dame wird die Schule nach dem Willen des Direktors leiten, aber mit einer Methode, die von der des Direktors, verschieden ist. Ihre Handlungsweise ist anders als seine, aber dennoch erfüllt sie ganz seinen Willen.


Kein Vergleich ist völlig exakt. Trotzdem kann uns, wie ich glaube, dieses Gleichnis in gewisser Hinsicht helfen, die Sache zu verstehen.


Die Rolle Unserer Lieben Frau als Königin der Welt ist nämlich dazu analog. Unser Herr hat ihr königliche Macht über die ganze Schöpfung verliehen, doch ihr Mitleid reicht - ohne die geringste Übertreibung sei es gesagt - bis an die äußersten Grenzen. Ihr göttlicher Sohn hat sie zur Königin der Welt eingesetzt, um diese und vor allem das arme, gefallene und sündhafte Menschengeschlecht zu regieren. Und es ist der Wille unseres Herrn, dass sie das tut, was er nicht selbst tun wollte, aber durch sie, als das königliche Werkzeug seiner Liebe, getan wissen will. Es gibt deshalb ein wirkliches Regiment Mariens in der Regierung der Welt. Und so sieht man, wie Unsere Liebe Frau, obwohl auf das innigste mit Gott vereint und von ihm abhängig, im Lauf der Geschichte handelt und wirkt. Unsere Liebe Frau ist natürlich unendlich geringer als Gott, aber er wollte ihr diese Rolle aus einem Akt von Freigebigkeit heraus übertragen. Es ist Unsere Liebe Frau, die einmal die Gnade reichlicher austeilt, das andere Mal in weniger reichlichem Maße; die das Treiben des Teufels jetzt mehr, ein anders Mal weniger stark eindämmt; die ihre Königsherrschaft über den Lauf der irdischen Ereignisse ausübt. In diesem Sinne hängt von ihr die Dauer der Revolution und der Sieg der Gegenrevolution ab. Außerdem greift sie manchmal direkt in diese menschlichen Ereignisse ein, wie es z.B. in Lepanto geschah. Wie zahlreich sind doch die Tatsachenberichte aus der Kirchengeschichte, wo deutlich von ihrer direkten Intervention in den Lauf der Dinge berichtet wird! All das lässt uns erkennen, auf welch mannigfache Weise das Königtum Unserer Lieben Frau wirksam ist.


Wenn die Kirche von ihr singt: "Du allein hast die Irrtümer der ganzen Welt überwunden!", dann verkündet sie, dass die Rolle Mariens in dieser Auseinandersetzung auf gewisse Weise einzigartig war. Das heißt nichts anderes, als dass Maria die Geschichte lenkt; denn wer die Vernichtung der Irrtümer lenkt, der lenkt den Triumph der Rechtgläubigkeit, und indem er die eine oder andere Sache leitet, lenkt er die Geschichte in ihrem innersten Kern.


Es wäre eine interessante geschichtliche Aufgabe zu zeigen, dass der Teufel zu siegen beginnt, wenn es ihm gelingt, die Verehrung der Mutter Gottes zu schwächen. Das kann an allen Dekadenzepochen der Christenheit, an allen Siegeszügen der Revolution aufgezeigt werden. Charakteristisches Beispiel ist das Europa vor der Französischen Revolution. Die Verehrung Unserer Lieben Frau in den katholischen Ländern war durch den Jansenismus erheblich vermindert, und so glichen sie einem Wald nach einer Dürreperiode, in dem ein einziger Funke alles in Flammen setzt.


Diese und andere Betrachtungen, gewonnen aus der Lehre der Kirche, eröffnen die Aussicht auf das Königreich Mariens, das heißt auf ein historisches Zeitalter des Glaubens und der Tugend, das durch einen spektakulären Sieg Unserer Lieben Frau über die Revolution eingeleitet werden wird. In dieser Zeit wird der Teufel vertrieben werden und in die Hölle zurückkehren, und Unsere Liebe Frau wird über die Menschheit regieren mit Hilfe von Institutionen, die sie zu diesem Zweck wählen wird. Was diese Aussicht auf das Königreich Mariens angeht, so finden wir im Werk des hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort einige bemerkenswerte Hinweise. Der Heilige ist ohne Zweifel ein Prophet, der dieses kommende Reich ankündigt. Er spricht ausdrücklich davon: "Wann wird diese Feuerflut der reinen Liebe kommen, die Du auf der ganzen Erde entzünden und sanft und mächtig anfachen wirst, damit alle Völker, die Türken, die Götzendiener, ja selbst die Juden davon erfasst und sich bekehren werden? (Prophetisches Flammengebet, in Das Goldene Buch, S. 212). Dieser Feuerbrand, der die Menschheit reinigen wird, leitet dann zugleich das Königreich des Hl. Geistes ein, das der hl. Ludwig mit dem Königreich Mariens identifiziert. Unser Heiliger bekräftigt, dass eine Blütezeit der Kirche kommen wird, wie es sie bis dahin noch nie gegeben hat. Er schließt sein Werk mit der Versicherung: "Denn gerade für die letzten Zeiten hat Gott beschlossen, im Verein mit seiner heiligen Mutter Heilige großzuziehen, welche die Mehrzahl der anderen Heiligen soweit übertreffen werden, als die Zedern des Libanon über das niedere Gesträuch emporragen" (Das Goldene Buch, Vollkommene Hingabe, Absatz 47, S. 30).


Wenn wir bedenken, welch große Heilige die Kirche schon hervorgebracht hat, dann muss uns der Ausblick auf jene blenden, die mit der Hilfe Unserer Lieben Frau erstehen werden. Doch was ist einleuchtender, als sich ein enormes Anwachsen der Heiligkeit in einer Epoche vorzustellen, in der auch das Wirken Unserer Lieben Frau sich wunderbar vermehrt! Wir können deshalb sagen, dass der hl. Ludwig von Montfort mit seiner Bedeutung als Denker, aber vor allem mit seiner Autorität als von der Kirche kanonisierter Heiliger den Hoffnungen Gewicht, Ansehen und Festigkeit verleiht, die in vielen privaten Offenbarungen Ausdruck finden, dass nämlich eine Zeit kommen wird, in der Unsere Liebe Frau wirklich triumphieren wird.


Das Königtum Mariens verwirklicht sich an erster Stelle im Inneren der Seele. Aber es entfaltet auch im ganzen Bereich des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens eine souveräne Wirksamkeit, indem es von dort, vom innersten Heiligtum einer jeden Seele, seinen Widerschein auf das religiöse und bürgerliche Leben der Völker wirft. Das Königreich Mariens wird somit eine Epoche sein, in der die Vereinigung der Seelen mit der Mutter Gottes eine Intensität erreicht, für die es in der Geschichte kein Vorbild gibt (Einzelfälle natürlich ausgenommen). Wie wird dieser in gewissem Sinne höchste Bund aussehen?


Ich kenne kein besseres Mittel, diese Vereinigung zu verdeutlichen und Wirklichkeit werden zu lassen, als die heilige Sklavenschaft gegenüber Unserer Lieben Frau, wie sie vom hl. Ludwig von Montfort in dem "Traktat über die vollkommene Hingabe an Jesus durch Maria" gelehrt wird.


Angesichts der Tatsache, dass die Mutter Gottes der Weg ist, auf dem Gott zu den Menschen kommt und auf dem diese zu Gott gelangen können, sowie des allumfassenden Königtums Mariens, empfiehlt unser Heiliger, dass sich der Verehrer der hl. Jungfrau ihr ganz als ihr Sklave weiht. Diese Weihe ist Zeichen einer bewundernswerten Radikalität. Sie erfasst nicht nur die materiellen Güter des Menschen, sondern auch den Wert seiner guten Werke und Gebete, sein Leben, seinen Leib und seine Seele. Sie ist unbegrenzt; denn der Sklave besitzt definitionsgemäß nichts für sich selbst.


Im Gegenzug zu dieser Weihe wirkt Unsere Liebe Frau im Innersten ihres Sklaven auf wunderbare Weise, indem sie mit ihm eine unaussprechliche Verbindung eingeht.


Die Früchte dieser Vereinigung werden sichtbar werden in den Aposteln der Endzeit, deren Charakterbild er voller Feuer in seinem berühmten "Flammengebet" zeichnet. Er verwendet hier eine Sprache von apokalyptischer Größe, in der das ganze Feuer eines Johannes des Täufers, die ganze Wortgewalt eines Johannes des Evangelisten und der ganze Eifer eines Paulus von Tarsus wieder aufzuleben scheint. Jene wunderbaren Recken, die - gegen den Teufel - für das Königreich Marias kämpfen und ruhmreich bis zum Ende der Zeiten den Streit gegen Teufel, Welt und Fleisch führen werden, beschreibt der hl. Ludwig als großartige Vorbilder, welche diejenigen zur vollkommenen Sklavenschaft gegenüber Unserer Lieben Frau einladen, die in den Tagen der heutigen Finsternis in den Reihen der Gegenrevolution kämpfen.


Mit diesen Betrachtungen über die Rolle der Mutter Gottes in der Revolution und Gegenrevolution wie über das Königreich Unserer Lieben Frau - entwickelt anhand der "Abhandlung über die vollkommene Hingabe an Jesus durch Maria" glaube ich die wesentlichen Berührungspunkte zwischen dem Meisterwerk des großen Heiligen und meinem Buch über "Revolution und Gegenrevolution" herausgestellt zu haben.

LITERATURHINWEIS: Ludwig Maria Grignion von Montfort: "Das Goldene Buch - Die Wahre Andacht zu Maria, das Geheimnis Mariä und die Liebe zum Kreuz", Lins-Verlag, A-6804 Feldkirch.