Montag, 5. März 2012

Zwei Arten das ländliche Leben zu sehen

Plinio Correa de Oliveira
     
      Sechs Uhr Abends. Das Tageswerk ist vollbracht. Eine erhabene Ruhe umhüllt die weiten Felder. Sie lädt ein zur Rast und Einkehr. Eine goldene Abenddämmerung verklärt die Natur. Alles scheint einen fernen und milden Glanz der unbeschreiblichen Majestät Gottes wider zu geben. Leise ertönt in der Ferne das Läuten des Engel des Herren. Es ist die kristalline und materielle Stimme der Kirche, die zum Gebet ruft. Die Feldarbeiter beten. Es sind zwei junge Menschen, die Gesundheit ausstrahlen und denen man die lange Gewohnheit der Feldarbeit ansieht. Ihre Kleidung ist bäuerlich grob. Doch aus ihrem ganzen Wesen schimmert Reinheit, Erhabenheit und die natürliche Zartheit tief christlicher Seelen. Ihr bescheidener gesellschaftlicher Stand wird irgendwie durch ihre andächtige Haltung verklärt und beleuchtet und erweckt Ehrfurcht und Zuneigung. Ihren Seelen widerstrahlen die goldenen Strahlen der Sonne; doch einer in jeder Hinsicht viel höheren Sonne: der Gnade Gottes.

      Wahrlich, die Schönheit ihrer Seelen ist der Mittelpunkt des Bildes, der höchste Punkt der ästhetischen Empfindung. Die dargestellte Natur ist schön, aber sie dient nur als Umgebung, um die Schönheit dieser durch den Sohn Gottes erlösten Seelen zum Ausdruck zu bringen.

      Nichts weist bei diesen Bauernleuten auf Ruhelosigkeit oder Unwohlsein hin. Sie entsprechen ganz ihrer Umgebung, ihrer Arbeit, ihrem Stand. Welch andere Würde, welch anderes Schicksal könnte dieses Paar sich wünschen?

      Millet hat auf bewundernswerter Weise in seinem Gemälde die notwendigen Grundlagen zusammengeführt, um die Würde der Arbeit in einer gelassenen und glücklichen Atmosphäre der echten christlichen Tugend zu verstehen.

*     *     *
      Solche Augenblicke sind jedoch nicht die Regel des Lebens auf dem Lande. Millet hat hier, sagen wir, mit einem Schnappschuss, einen Höhepunkt materieller und moralischer Schönheit des Landlebens eingefangen. Aber nicht nur das. Sein Bild hat die Eigenschaft den Menschen Gelegenheit zu geben, das echte und häufige Aufflackern dieses christlichen Ausdruckes der Seelen und der Gegenstände in einer von der Kirche wirklich durchtränkten Umgebung zu sehen und zu bewundern.

      Die geistige Haltung, die Millet dem Betrachter seines Bildes mitteilt, ist ganz auf Gott und dem Abglanz der geistigen und materiellen Schönheit gerichtet, den Er auf die Schöpfung wirft.

      In einer psychologischen Kritik des Bildes, müsste man, um genau zu sein, ein gewisses Übermaß an Sentimentalität beanstanden.
*     *     *

      Könnte man, das ebenfalls im ländlichen Leben inspirierte Bild von Yves Alix, „Le maître des moissons“, in gleichem Maße loben?
      Der Maler hat hier, in seiner Sicht der landwirtschaftlichen Arbeit, nichts von dem beobachtet, gespürt und angenommen, was sie würdig macht von einem Kind Gottes verrichtet zu werden.

      In diesem Gemälde hat nicht der Geist die Materie unterworfen und sie geadelt, sondern die Materie ist im Geist eingedrungen und hat ihn erniedrigt. In den Körpern hat die materielle Arbeit eine so zu sagen ruchlose Brutalität eingeprägt. Den Gesichtsausdrücken entströmt eine Gesinnung die an Kneipen und Konzentrationslagern erinnert. Wenn die Personen im Hintergrund nicht so versteinert wären und weinen könnten, wären ihre Tränen aus Galle; wenn sie stöhnen könnten, wäre es wie das Knattern von Zahnrädern. Aus dem Mund der schreienden Person im Vordergrund entströmt die Traurigkeit, die Bosheit, die Kakophonie der Farben, der Formen und der Seelen. Man weiß nicht richtig, was er schreit, ob eine Drohung oder eine Gotteslästerung.

      Yves Alix vereinte, übertrieb und entstellte bis zum Wahnsinn die Ansichten, durch welche die Arbeit Sühne und Leiden und die Erde ein Verbannungsort ist. Mit einer gewissenhaften – und wie begeisterten – Treue bringt er zum Ausdruck, was die menschliche Seele am scheußlichsten und niedrigsten hat, um das Ganze als die reale und normale Sicht des täglichen geistigen und beruflichen Lebens der Arbeiter darzustellen.

      Und deshalb: Während das Meisterwerk von Millet ein Gebet aushaucht, entströmt dem Alptraum des Yves Alix der Mief der Revolution.

      Wenn Gott den Engeln erlauben würde, die Erde zu verschönern, würden sie es in dem Sinne tun, die schönsten Aspekte, die Millet beobachtete und zusammentrug, zu vermehren und dauerhaft zu machen. Würde Er den Teufeln erlauben, den Menschen und die Schöpfung zu verunstalten, würden sie Leib und Seele, Gegenstände, Personen und Ambiente wie im Gemälde von Yves Alix dargestellt, umwandeln.

(Aus „Catolicismo“ Nr. 9 – September 1951)      

Freitag, 2. März 2012

Eine Beobachtung des hl. Johannes Bosco erklärt
den Ursprung der Revolution

    Die Zeitschrift „Cruzado Español“ ehrte mich mit der Veröffentlichung eines großen Teils meiner Studie „Revolution und Gegenrevolution“. Dies zeigt mir, dass die Leser dieser Zeitschrift an diesem Thema interessiert sind. So möchte im folgenden Beitrag eine Frage behandeln – wenn auch etwas oberflächlich –,  die mit dem Thema meiner Studie in enger Beziehung steht. Leider kann ich sie hier nicht so ausführlich behandeln, wie ich es wünschte.

*    *     *

    Ich fange auf eine vielleicht unerwarteten Weise an.
    Als ich die Schriften des hl. Don Bosco durchblätterte, fand ich folgende merkwürdige Beobachtung: „Zunächst, was die Bösen betrifft, werde ich nur eines sagen, was vielleicht unglaubwürdig erscheint, aber doch reine Wahrheit ist, so wie ich sie beschreibe. Nehmen wir an, dass unter 500 Schülern einer Schule es einen gibt, der ein schlechtes Leben führt. Es kommt ein neuer hinzu, der ebenfalls verdorben ist. Beide kommen aus ganz verschiedenen Regionen, entfernte Ortschaften, sind sogar verschiedener Nationalitäten, haben unterschiedliche Kurse gemacht, haben sich nie gesehen und kennen sich gar nicht. Trotz all dieser Unterschiede könnt ihr sie am nächsten Tag oder sogar nach einigen Stunden in der Pause zusammen sehen; sie haben Freundschaft geschlossen. Es scheint als würde ein böser Geist ihnen verraten, wer mit der gleichen eigenen Schwärze befleckt ist, oder, es ist wie ein teuflischer Magnet, der sie zu eine engen Freundschaft zusammenführt. Das ,sage mir mit wem du gehst, und ich sage dir wer du bist‘ ist ein sehr leichtes Mittel die befleckten Schafe herauszufinden, bevor sie sich in reißende Wölfe verwandeln.“

    Das gilt vielleicht nicht für normale Schulen, doch dieses Zeugnis versetzt uns in die Gegenwart einer Tatsache, die nicht schwer zu beobachten ist, selbst unter Erwachsenen, in den Routineepisoden des Alltags oder sogar in großen historischen Ereignissen. Wenn das Böse eine gewisse Tiefe der Seele erreicht, bekommt diese einen Scharfblick, der es ihr erlaubt über gewissen Anzeichen, die anderen bedeutungslos erscheinen, schon von Weitem seinesgleichen zu erkennen. Der genannte Scharfblick verbindet sich mit einer anderen Eigenschaft: eine gegenseitige Anziehung, die sie schnell zu einem engen Miteinander vereint, trotz aller Unterschiede, die sie trennen könnten, wie Wohnort, Nationalität, Alter usw. Es ist leicht festzustellen, wie aus der Verbindung solcher Elemente, auf natürliche Weise eine Gruppe, sogar eine Strömung entsteht, die wie ein Tumor sein Gift verbreitet.

1. Das Miteinander hebt die Eigenschaften hervor – In der innigen Freundschaft der Gruppe bildet sich durch den gegenseitigen Wetteifer eine gänzlich entgegengesetztes Ambiente zur Umwelt in der sie sich befinden.

2. Die Hervorhebung der Eigenschaften erzeugt den Hass – Dieser Unterschied mit der Umwelt erzeugt notwendigerweise Antipathien, Reibungen, Hass gegen die Mehrheit. Dieser Hass kann sich aus Gründen der Zweckmäßigkeit verdeckt halten. Doch in manchen Fällen (nicht immer) erhöht die Notwendigkeit des Schweigens die vergiftende Wirkung.
3. Der Hass wiegelt zum Kampf auf – Dies ist eine zwingende Konsequenz. Wer sich nicht wohl fühlt in einer Umgebung, bemüht sich, sie zu verändern. Und wenn er Hindernisse vorfindet, bemüht er sich, sie zu beseitigen. Wenn sie sie nicht friedlich beseitigen lassen, kommt es zum Kampf.

4. Der Kampf führt zum Proselytismus und zur Vereinigung der Kräfte – Es ist natürlich, dass eine Gruppe schlechter Menschen die Gleichgesinnten anzieht wie ein Magnet, wie es der hl. Don Bosco beschrieben hat. Es ist aber auch ganz natürlich, dass durch die Tendenz alles lebendigen sich zu entfalten, sie auf der Suche nach neuen Soldaten für den Kampf ist, und die Zahl der Anhänger zu vergrößern versucht. Die Vereinigung der Kräfte kommt von einem natürlichen Gesetz, so dass es hierfür keiner Erklärung bedarf.

5. Aus der Dauerhaftigkeit dieser Bemühungen entsteht eine Organisation – Auch das ist einleuchtend. Elemente, die dauerhaft unter sich verbunden sind durch eine tiefe Affinität der Gedanken, Einheitlichkeit der Ziele und einen engen Zusammenschluss der Bemühungen, werden bald ein ideologisches System hervorbringen, ein gemeinsames Aktionsprogramm und -techniken aufstellen und ein leitendes Organ bilden. In diesem Moment ist der Weg vorgezeichnet, der von der einfachen Tatsache, dass einige "Böse" existieren, die ihre Existenz untereinander ahnen und sich zusammentun, bis hin zur Bildung eines Vereins, einer Organisation. Geheim wie die Freimaurer, Halbgeheim wie der Jansenismus oder der Modernismus es waren, offen wie der Protestantismus oder der Kommunismus, nimmt sich dieser Verein vor, auf allen Gebieten – auf ideologischem, der Kunst, sozialem, wirtschaftlichem usw. – seine Ziele zu erreichen. Mit einem Wort, unternimmt Revolution.

Der Hass gegen das Gute

    Der Motor all dieser Folgen von Phänomenen ist der Hass gegen das Gute. Dieser Hass wird geboren aus der Perversion, wenn diese einen bestimmten Tiefengrad erreicht hat.
    Ich bestehe auf diese Behauptung. Und ich weiß, wenn die Perversion eine gewisse Tiefe erreicht hat, erweckt sie diese mysteriöse Fähigkeit zum gegenseitigen Finden und Organisieren, die der hl. Don Bosco beschreibt und die der Ausgangspunkt jeder organisierten Revolution ist. Eine große Zahl Menschen sympathisiert mit den Guten; wenn sie eine Sünde begehen, fühlen sie Scham und Traurigkeit. Von diesen, solange sie nicht moralisch tiefer fallen, ist keine Verschwörung zu befürchten. In anderen Verletzt die Perversion schwer die Demut, bis hin zur zynischen Gleichgültigkeit gegenüber der Sünde, und sogar eine Rebellion gegen die Guten und das Gute.
    Man sage nicht, dass es einem rationellen Wesen nicht möglich ist, das Gute zu hassen. Es ist angebracht hier die „Unterscheidungen“ zu nennen, die das Thema beinhaltet. Erinnern wir nebenbei daran, dass, wenn es so wäre, hätten die bösen Engel, Gott, das höchste Gut, nicht gehasst. Außerdem kann diese Aversion, einer einfachen Antipathie entsprechen. Diese kann Missverständnisse, Reibungen, Zwischenfälle hervorrufen, ohne deshalb schon eine Verschwörung oder einen Kampf herbeizuführen. Es gibt aber auch Fälle, in denen eine sehr aggressive Haltung vorkommen kann. Hier scheint der Hass Kains gegen seinen Bruder Abel charakteristisch zu sein. Mehr noch der Hass des Sanhedrin gegenüber Unseren Herrn.
    Um von dieser erhabenen Tatsache zu einer gegenwärtigen zu kommen, erinnere ich mich einer Meldung, die ich kürzlich gelesen habe. In den USA überfiel eine Gruppe Play-girls eine junge Kollegin und versetzten sie in einem erbärmlichen Zustand. Von der Polizei befragt, erklärten die Missetäterinnen, eigentlich nichts gegen das Opfer zu haben. Der einzige Grund ihres gewalttätigen Verhaltens war, das ihre Kollegin dermaßen korrekt und beispielhaft in ihren Schulverpflichtungen, in ihrem Benehmen, in ihrer Kleidung war, dass die einfache Tatsache ihrer Gegenwart unausstehlich für sie war. Wenn wir uns diese temperamentale Haltung, nicht bei Furien ohne Vernunft und Gelassenheit vorstellen, sondern bei ausgeglichenen, klugen und eisernen Persönlichkeiten, werden wir das entdeckt haben, was eine mächtige und gefährliche Organisation hervorbringt, die das Ende einer historischen Epoche verursachen kann.
    All diese Erwägungen sind allgemein bekannt, vor allem wenn individuell analysiert. Doch präsentieren sie sich gewöhnlich vereinzelt und verwirrt. Werden sie aufgedeckt und in einem Block von Lehren und Beobachtungen zusammengeführt, vernehmen wir etwas neues. In wenigen Worten möchte ich aufzeigen, in was dieses etwas besteht.

Sympathie und Mitschuld der Gemäßigten

    Nachdem, was wir bis jetzt gesehen haben, wurden zwei Aspekte hervorgehoben: Einer bringt die Revolution hervor; der andere, angesichts der Revolution, zu welcher Handlung verleitet er?
    Anhand des Prinzips der Anziehungskraft des Bösen durch das Böse (simile simili gaudet), das eigentlich die Grunderklärung des vom hl. Don Bosco beobachteten Phänomens ist, kann man folgern, dass das subtile Böse vom mächtigeren angezogen, hypnotisiert und beherrscht wird. So erklärt sich, dass die gemäßigten Strömungen der Revolution niemals ernsthaft und durchhaltend gegen die extremen Strömungen kämpfen. Die Girondisten des 18. Jahrhunderts, die Anhänger der parlamentarischen Monarchie in England im 19., die Anhänger des Kerensky im 20. Jahrhundert, wenn sie vor die Revolution gestellt werden, gaben sie immer nach, selbst wenn sie mit Waffen gegen sie gekämpft hatten und sie für einige Zeit besiegt hatten. So besiegte die französische Bourgeoisie die Pariser Kommune und schien der Revolution einen Damm entgegenzusetzen. Doch sobald sie an die Macht kam, favorisierte diese gleiche Bourgeoisie den Vormarsch des revolutionären Prozesses. Mehr noch. Angesichts der Revolution und der Gegenrevolution, schweben die moderaten Revolutionäre ohne sich zu entscheiden und versuchen absurde Versöhnungen vorzuschlagen. Am Ende begünstigen sie systematisch die erste gegen die zweite.
    Wie erklärt sich das, wenn doch so oft die höchsten und offenkundigsten wirtschaftlichen Interessen, die ehrenhaftesten Auszeichnungen, die tiefe traditionelle Bildung, nahe und zärtliche verwandschaftliche und freundschaftliche Gründe die Moderaten dazu bringen sollten, sich der Gegenrevolution anzuschließen? Wie viele talentierte Menschen gab es in den Reihen der Mäßigen, die jede Intellektuelle Möglichkeiten hatten, einzusehen, dass ihr ewiges Nachgeben sie in den Abgrund führte, und mit ihnen ihre ganze Nachkommenschaft. Und doch gaben sie systematisch nach, als ob dieser Abgrund sie faszinierte. Warum?
    Die Antwort auf diese Frage würde den wesentlichen Grund der systematischen Siege der Extremisten im revolutionären Prozess erklären, denn diese waren immer oder fast immer eine Minderheit, mit wenig Glanz oder spärlichen finanziellen Mitteln ausgestattet. Ihre Siege waren in der Mehrheit der Fälle das Ergebnis der Schüchternheit, der Blindheit und der Resignierung der Mäßigen, die in der Regel reich, einflussreich,  zahlreich waren, aber stets zur Hilfe der Extremisten bereit. Sie bevorzugten eher alles, als die Reihen der GR ernsthaft zu unterstützen, die in der Regel ebenso nicht zahlreich waren und auch nur über karge Mittel verfügten.
    Sicher sind Untätigkeit und Angst die Eigenschaften der reichen Klassen und erklären in etwa dieses Phänomen. Für uns aber erklärt das nicht alles. Denn, auf der einen Seite sind nicht alle reichen Klassen schwankend und ängstlich. Zum Beispiel, war der europäische Adel in der Zeit der Kreuzzüge und der Reconquista von dieser Krankheit nicht befallen. Es sind also die dekadenten Eliten, die an diesem Übel erkranken.

Antipathie gegenüber der Gegenrevolution

    Doch auch die Angst der dekadenten Eliten erklärt nicht alles. Es ist offenbar, wenn sie auf der einen Seite Angst vor dem revolutionären Extremismus haben, so äußern sie beiläufig und unbeabsichtigt Sympathiegedanken für diesen Extremismus. Auf der anderen Seite zeigen sie gegenüber dem gegenrevolutionären Radikalismus keine Angst, aber systematische und nicht verheimlichte Antipathie. Diese so beständige und impulsive Sympathie und Antipathie spielen unweigerlich eine Rolle, die man nicht unterschätzen darf, wenn man die Haltung der revolutionären Gemäßigten in Betracht zieht.
    Wie erklärt sich diese Sympathie? Nach was richtet sie sich? Die Gemäßigten, die anscheinend dem Geld, der Gesundheit und den revolutionären Belustigungen sehr anhängen, befürchten nur wenige Ansteckungspunkte. Sind sie in diesem Fall uneigennützige Idealisten (im schlechten Sinn des Wortes)? Dem Anschein nach, nicht. Doch die Tatsachen, genau beobachtet, zeigen, dass sie in gewisser Weise es sind, und das dieser "Idealismus" eine tiefgründige Rolle in ihre Psychologie und in ihren Handlungen spielt. Auf welche Weise?
    Der revolutionäre Geist besteht aus einer schweren doktrinären und moralischen Missbildung. Trotz der Koexistenz in vielen Fällen mit unversehrten Bräuchen und eindeutiger Ehrlichkeit im Handeln. Der hl. Pius X. in seiner Enzyklika "Pascendi" richtet seine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt, was die Modernisten betrifft. Wer diese Geisteshaltung besitzt, wenn auch nur durch Anteilnahme, fügt sich in die mysteriöse Dynamik des Bösen ein, die vom hl. Don Bosco beschrieben wird. Die revolutionäre Geistes-haltung, bringt selbst in gemäßigter Form diese Fähigkeit der Erkenntnis und der dynamischen Artikulierung hervor. Dieses Phänomen ist eine tiefe Antipathie, wenn auch diskret und fast unbemerkt, gegen alles was sich der Revolution entgegensetzt.
    Diese Antipathie hat die Eigenschaft, dass sie sich nie irrt: jede auch noch so subtile und verschleierte gegenrevolutionäre Äußerung wird von ihr ausgesondert, verworfen und angefeindet. Und deshalb, ohne dass dieses Opfer die Initiative ergreift ihre eigenen Interessen der Revolution zu opfern, akzeptiert sie sie jedoch ohne zu protestieren und tröstet sich vielleicht sogar dadurch, das ihre tiefe Antipathie zur Gegenrevolution durch die Fortschritte der Revolution Genugtuung erfährt.
    Diese Tatsache ist erstaunlich. Sie wäre nicht glaubhaft, wenn sie in der Welt nicht offensichtlich wäre. Wie viele aristokratische oder bürgerliche Sippen gibt es, die von der Revolution zerstört und vertrieben wurden, und auf jeglichen Kampf verzichten, aber resigniert, schier froh, dahinleben, in einer verborgenen und fast proletarischen Existenz, perfekt integriert in der modernen revolutionären Welt, dessen Opfer sie selbst sind. Ich denke hier an die unzähligen Russen im Exil und besonders an so viele Priester der schismatischen orthodoxen Kirche, die sich um nichts anderes kümmern, als um zu einer Einigung mit dem Kommunismus zu kommen. Mutlosigkeit? Zum Teil schon. Aber ohne Zorn, fast mit Freude, in der man klar das Lächeln einer geheimen, vielleicht unterbewussten Sympathie durchschaut. Man sieht hier klar, dass die Weltgeschichte nicht von Interessen regiert wird, und dass sie nicht hauptsächlich aus Interessenkonflikte besteht, sondern aus Prinzipien, einem Kampf zwischen Wahrheit und Irrtum, Gut und Böse zwischen Licht und Finsternis.

Die Rolle des Teufels

    Welche Rolle spielt der Teufel in diesem Kampf? Oder, wenigstens, wie wirkt er in dem vom hl. Don Bosco beschriebenen Phänomen?
    Im zitierten Text nimmt der Heilige die Mitwirkung des Teufels als plausibel an. Unserer Meinung nach sind wir überzeugt, dass sie immens ist. Doch dieser Aspekt des Themas ist nicht Teil dieses Artikels, in dem wir kurz die psychologischen Umrisse aus Sicht der natürlichen Ordnung skizzieren wollten, die autonom aktiv sind, auf die aber der Teufel seinen Einfluss ausüben kann und es sehr oft tut mit äußerster Wirksamkeit, um aus den Menschen gefügige Instrumente und Opfer der Revolution zu machen, deren Urheber er war und der wichtigste Faktor ihres Fortschreitens ist.

Originaltitel: „Una observación de San Juan Bosco esclarece la causa de la Revolución“ in „Cruzado Español“, Madrid, Nr. 55-56 vom 1. und 15. Juli 1960, S. 1.