Donnerstag, 19. März 2015

Die Eucharistie und das Apostolat in der modernen Welt

Während der Eucharistischen Woche des Bistums Campos im Jahr 1955 hielt Prof. Plinio Corrêa de Oliveira hierzu einen viel beachteten Vortrag, dessen Hauptgedanken wir hier vorstellen möchten.

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Die Eucharistie und das Apostolat in der modernen Welt

Es ist dies ein Thema, über das man eine ganze Reihe von Überlegungen anstellen kann. Die vier Begriffe, aus denen es sich zusammensetzt, sind zwar alle wichtig, doch unter dem Gesichtspunkt der Genauigkeit und Klarheit sind sie gleichzeitig äußerst ungleich.

Was verstehen wir denn unter „Welt“ und was sollen wir erst unter„moderner Welt“ verstehen?

Was ist die Welt?

Im Evangelium ist von der Welt die Rede. Unser Herr hat sich geweigert, für die Welt zu beten. Und doch haben die Apostel den Auftrag erhalten, alle Völker zu evangelisieren, und das heißt doch wohl, die ganze Welt evangelisieren. Was bedeutet eigentlich das Wort„Welt“?

Umgangssprachlich bezeichnet das Wort Welt den Erdball, auf dem wir leben. Sie bezeichnet einerseits die ganze Menschheit, aber auch eine bestimmte Gesellschaft zeitlichen Lebens, die sich in diesem Sinne von der Kirche unterscheidet. In einem anderen Sinne ist „Welt“ eine Art Reich der Finsternis und des Teufels. Es entspricht dies nicht eigentlich der zeitlichen Gesellschaft, sondern dem Bösen, dessen Fürst der Teufel ist, und deshalb sagen wir auch, dass der Teufel der Fürst dieser Welt ist.

Die verschiedenen Bedeutungen des Wortes „modern“

Modern. Was aber ist modern? In einem gewissen Wortsinn bedeutet„moderne Welt“ die Welt von heute im Gegensatz zur Welt von gestern. Es muss aber eingeräumt werden, dass die moderne Welt nicht allein aus modernen Dingen besteht, denn die ganze menschliche Vergangenheit ist ja auch Teil der modernen Welt. Gleichzeitig stoßen wir in der modernen Welt auf den Widerschein einer superneuen, superatomaren Ära, die sich am fernen Horizont in Richtung Zukunft abzeichnet. Und doch nehmen wir in der modernen Welt noch das Wetterleuchten der Vergangenheit mit den Anfängen unserer Zivilisation wahr, die in ihr immer noch glänzen, fortbestehen und weiterleben. Der gegenwärtige Augenblick, der moderne Augenblick, dieser Augenblick, in dem ich zu Ihnen spreche, setzt sich also aus sehr heterogenen Elementen zusammen, die von den Erfahrungen und den bleibenden Errungenschaften fernster Vergangenheit bis hin zu den Aussichten auf eine unsichere, ferne Zukunft reichen. So ist das Lebensbild eines Menschen in einem bestimmten Moment nicht nur das Bild, das er gerade vor Augen hat, sondern auch das Bild der Aussichten, Pläne und Prognosen, die er in seiner Seele trägt.

Die moderne Welt erscheint uns also als eine Welt voller widersprüchlicher, gegensätzlicher Aspekte. Da ist die Vergangenheit, aus der wir kommen und der gegenüber versucht wird, wie wir gleich sehen werden, einen Gegensatz zu dem Wort „modern“ zu bilden. Und doch ist uns so viel Glorreiches aus dieser Vergangenheit geblieben! Vor allem aber besitzen wir etwas, das mehr ist als Vergangenheit, mehr als Gegenwart, mehr als Zukunft, denn es ist göttlich. Es ist dies die heilige römisch-katholische apostolische Kirche.

Modernität der Kirche

Fast zweitausend Jahre alt, ist die Kirche die jüngste, blühendste, verheißungsvollste Institution der modernen Welt. Und in einer Zivilisation, die unter so vielen Aspekten zu zerfallen und sich auf ihren Untergang zuzubewegen scheint, gibt es nur ein Ding, das nicht vergeht, sondern vielmehr unbegrenzte Jugend verspricht – das ist die katholische Kirche. In diesem Sinn des Wortes „modern“, ist sie in allen Zeiten modern. Modern ist sie aus der göttlichen Seite Unseres Herrn Jesus Christus hervorgegangen. Und modern wird sie auch noch in den letzten Augenblicken der Menschheit sein, wenn hoch am Himmel der Menschensohn in all seiner Majestät erscheinen wird.

Eine andere Bedeutung von „modern“

Wenn wir uns aber die Bedeutung von „modern“ etwas genauer ansehen, werden wir feststellen, dass das Wort oft in einem anderen Sinne gebraucht wird, nämlich als das, was im Gegensatz zum Hergebrachten steht. Modern ist dann das, was gerade erst entstanden ist. In diesem Sinne hören Dinge jeden Augenblick auf, modern zu sein, und andere, moderne Dinge treten an ihre Stelle. Noch gestern, vorgestern, vor vierzehn Tagen hat man die Kinderlähmung auf eine bestimmte, moderne Weise behandelt, doch heute schon ist diese Behandlung überholt, weil man ein besseres, noch wirksameres Vorgehen entdeckt hat. Damit gehören nun alle vorherigen Behandlungsmethoden der Geschichte der Medizin an und bilden von dem Zeitpunkt an, als die neue Methode eingeführt wurde, eine abgestorbene Vergangenheit.

In diesem Sinn ist unsere Epoche so verrückt auf Neuheiten. Sie brüstet sich, modern zu sein und in der Umgebung einer Unmenge von Neuheiten zu leben, die es früher nicht gab und die ihr das Kennzeichen der Überlegenheit gegenüber der Vergangenheit verleihen.

Eine dritte Bedeutung des Wortes „modern“

Das Wort „modern“ besitzt aber noch einen differenzierteren, schwer zu durchschauenden Sinn, auf den es in unserer Analyse schließlich ankommt.

Man würde nicht behaupten, dass ein Land, in dem die Trennung von Kirche und Staat herrschte, mit der etwaigen Rückkehr zum System der Einheit von Kirche und Staat moderner geworden sei. Viele würden jedoch behaupten, dass ein Land, das von der Einheit zur Trennung von Kirche und Staat übergeht, moderner geworden sei. Niemand würde behaupten, dass der Übergang vom Scheidungsrecht zur Untrennbarkeit der Ehe einer Modernisierung gleichkomme. Doch viele meinen, dass die endliche Einführung des Scheidungsrechts anstelle der Untrennbarkeit eine Modernisierung sei. Man würde nicht sagen wollen, dass die Erhaltung von Eliten, die Wahrung eines hierarchischen Aufbaus der Gesellschaft, die Sorge um die Beibehaltung von Sitten und Gebräuchen, der Bestand von Institutionen, die die in jeder strukturierten Gesellschaft unentbehrliche hierarchische Ordnung festlegen, ein typisch modernes Anliegen sei. Man würde vielmehr einwenden, dass derlei Dinge zur Vergangenheit gehören und dass sich ein moderner Geist eher darum bemühe, gesellschaftliche und politische Barrieren abzubauen und die vollkommene Gleichheit anzustreben, die im Kommunismus ihre Verwirklichung finde, wo sogar wirtschaftliche Gleichheit herrsche.

„Modernität“ – die Seele der heutigen Welt

Nachdem wir so die verschiedenen Bedeutungen des Wortes „modern“beschrieben haben, können wir uns nun fragen, welche Rolle dieser Modernität innerhalb der heutigen Welt zukommt.

Und wir könnten sagen, dass die Geisteshaltung, die sich als modern bezeichnet, wenn sie auch nicht alles für sich eingenommen hat, so doch die große Antriebskraft ist, die hinter fast allen Ereignissen steckt, denn sie ist das Hauptmerkmal dieses Moments und die große Gefahr. Es wäre zwar sicher übertrieben, behaupten zu wollen, dass es in der heutigen Welt nichts als diese erbärmliche Modernität gebe, doch wäre es ebenso ein Zeichen von Blindheit und Wahnsinn, bestreiten zu wollen, dass diese erbärmliche Modernität das Kennzeichen und der Hauptzug dieser Epoche ist, in der wir leben.

Das Heil der modernen Welt

Gewiss stimmt es aber auch, dass es in der mehr und mehr von dieser Geisteshaltung beherrschten Welt einen gewissen Jemand gibt, die ewig und immer zugegen ist – es ist dies unser Herr Jesus Christus. Er ist in allen Tabernakeln dieser Welt gegenwärtig, in den goldenen Tabernakeln der Heiligtümer der Christenheit; in den ärmlichen Tabernakeln, den verborgenen Tabernakeln der Länder hinter dem Eisernen- und dem Bambusvorhang. Doch dieser Jemand, Unser Herr Jesus Christus, dessen Gegenwart nicht mit den Sinnen des Körpers wahrzunehmen ist, ist der große Apostel der heutigen Zeit. Und Er richtet sich stets an die Menschen, zwar in einer stummen, doch unendlich wirksamen Sprache, nämlich in der Sprache des Herrn, unseres Gottes. Er spricht zu ihnen fortwährend von der Notwendigkeit, ihr Leben auf Gott aufzubauen, seine Autorität anzuerkennen und sich aus ganzem Herzen zu Gott dem Herrn zu bekehren.

Früchte der heiligen Eucharistie

Und in dieser schrecklichen modernen Welt geschieht, was immer geschieht, wenn Gott herausgefordert wird: Gott vermehrt seine Wundertaten, und während die Frevelhaftigkeit ihrem Höhepunkt zusteuert, nehmen wir wunderbare Früchte der heiligen Eucharistie wahr, Früchte der Gnade, die dem Apostolat unvergleichliche Erfolge bescheren. Während sich die Menschen massenweise dem Vergnügen und dem Laster zuwenden, während sich die Menge dem Bösen gegenüber schweigend verhält und sich feige abwendet, nimmt überall die Zahl jener Seelen zu, die in ihrem Streben nach Vollkommenheit, nach uneingeschränkter Rechtgläubigkeit, nach völligem Gehorsam gegenüber der heiligen Kirche alles verlassen, auf alles verzichten und sich bereit zeigen, die Lehre der Kirche zu behaupten, aus Liebe zu dem in der heiligen Eucharistie gegenwärtigen Herrn Jesus Christus alles zu erleiden und zu besiegen.

Beispiele: Heilige Maria Goretti

In diesem Moment steigt in meiner Erinnerung die engelhafte Gestalt der heiligen Maria Goretti auf. In einer Zeit, in der sich ein neues Heidentum, das den ganzen Verfall der modernen Zivilisation zur Schau stellt, gibt dieses jungfräuliche Mädchen mit aller Entschiedenheit sein Leben hin, weil es nicht das verlieren will, das es mehr liebt als alles, mehr sogar als sein Leben: jene Jungfräulichkeit, die man als das wertvollste Geschenk des Lebens zu schätzen lernt, wenn man ein wirklich eucharistisches Herz besitzt. Die heilige Maria Goretti ist ein Höhepunkt. Ob dies wohl ein Einzelfall ist?

Das Marienkind aus Wien

Wie viele Heldentaten geschehen zur Zeit in den westlichen wie östlichen Ländern. Da gibt wes den Fall eines Mitglieds der Marianischen Kongregation in Wien, von dem ich erzählen hörte, dass er sich einer schmerzhaften Operation unterziehen musste: Seine Zunge musste amputiert werden. Kurz vor dem Eingriff macht er dem Arzt ein Zeichen, das andeutet, er wolle noch ein letztes Wort sagen, bevor ihm das Organ entnommen werde. Der Arzt stimmt zu und ein Moment der Stille und Ergriffenheit setzt ein im OP-Saal. Alle denken, der junge Mann wolle noch eine letzte Bitte äußern oder einige liebenswürdigen Worte an die Anwesenden richten, oder vielleicht eine letzte Klage von sich geben. In diesem Augenblick des Schweigens und der Besinnung, öffnet er seinen Mund und spricht mit großer Mühe ein wunderbares Wort aus: „Es lebe die Jungfrau Maria!“ Danach ging er ein in das Schweigen, das ihn alle Tage seines Leben nun begleiten würde. Seine Worte waren das Echo seiner Frömmigkeit, die ihn dazu führte den letzten Moment seiner Sprachfähigkeit zu nutzen, um die Muttergottes zu Preisen.
Der Jungfrau Maria, von so vielen vergessen, verleugnet und unterschätzt, wird durch eine einzige Geste dieser Art eine unvorstellbare Ehre erwiesen. Sie bringt auch in der modernen Welt Legionen solcher Seelen hervor.


Die Märtyrer des Tabernakels

In diesem Augenblick erinnere ich mich noch an einen anderen Fall, welcher sich hinter dem Eisernen Vorhang zugetragen hat und von dem die Zeitung Osservatore Romano berichtete. Die Kommunisten hatten in ein Dorf besetzt, in dem es eine katholische Kirche gab. Nun hatten die Buben des Dorfes gehört, dass die Kommunisten zu einer bestimmten Stunde in die Kirche eindringen wollten, um den Tabernakel aufzubrechen und die geweihten Hostien zu schänden. Es wurde Nacht und draußen hatte es geschneit. Das Mondlicht lag hell auf dem Schnee. Die Stunde des Überfalls auf die Kirche rückte immer näher. Würde der Herr wieder einmal allein auf dem Ölberg ausharren müssen? Nein. Drei Buben, die durch ein offenes Fenster in die Kirche gedrungen sind, wachen bereits stundenlang. Als die Kommunisten dann die Tür aufbrechen und vordringen, versucht einer der Buben umsonst, ihnen mit seinen kindlichen Händen den Weg zum Tabernakel zu versperren. Sie schlagen ihn nieder. Ein zweiter Junge versucht, die Kommunionbank zu verteidigen und wird ebenfalls ermordet. Der dritte Junge steigt auf den Altar, um den Tabernakel mit seiner eigenen Brust zu schützen. Doch die Barbaren töten diesen lebendigen Tabernakel, bevor sie den vergoldeten Tabernakel aufbrechen. Sie nehmen die geweihten Hostien heraus und schänden sie. Die Hölle jubelt, doch mehr noch jauchzt der Himmel ob des in der Kirche vergossenen Blutes der drei kleinen Märtyrer, das bestimmt nicht weniger Ruhm verdient als das der Märtyrer, die einst in der Arena des Kolosseums ihr Blut vergossen haben.

Der Kampf in der modernen Welt

Damit habe ich Ihnen ein Bild vom Wirken der Eucharistie in der modernen Welt vor Augen geführt. In dem Augenblick, in dem die Frevelhaftigkeit auf ihren Höhepunkt gelangt, erreichen auch Gnade und Barmherzigkeit ihren Höhepunkt. Der Stärke des Lasters und des Bösen setzt Gott die unbezwingliche Stärke des Guten entgegen. Die katholische Kirche wird über die moderne Welt triumphieren. Dieser Triumph wird gewiss aus dem gigantischen Aufeinanderprallen der geringen Kräfte des Guten und der ungeheuren Kräfte des Bösen hervorgehen. Doch vielleicht werden wir noch dieses Ereignis sehen, dass die Kirche einen der größten Siege aller Zeiten davontragen wird, und es wird dies der Sieg der heiligen Eucharistie sein, dieser Quelle der Gnaden, die durch die Vermittlung und Fürsprache unserer Lieben Frau für die Welt offensteht. Mit ihren an den eucharistischen Jesus gerichteten Bitten erwirkt uns die Gottesmutter die Gnaden, derer wir bedürfen.


Muttergottes, die Mittlerin

Diese Rolle der heiligen Eucharistie in der Modernen Welt veranlasst uns, unsere Gedanken zur Muttergottes zu erheben. Da von Triumph und Gnaden nicht sprechen kann ohne Sie zu erwähnen, denn Sie ist ja die notwendige Mittlerin zwischen Gott uns den Menschen, kann ich behaupten, dass eine der kostbarsten Gnaden, die die heilige Eucharistie der Welt schenkt, ist die Verehrung Mariens. Und diese in unserem Land des Heiligen Kreuzes so eigene und in ihm verwurzelte Marienfrömmigkeit wird unser Land, Brasilien, erretten.


Die Eucharistie hat im Apostolat zweifelsohne eine substantielle Bedeutung, denn in der Eucharistie begegnen wir dem Heiland selbst. Und durch die Kommunion empfangen wir Ihn, Er selbst kommt in unsere Herzen um uns zu heiligen und mit ihm eins zu werden. 
Quelle: „Anais da Semana Eucarística de Campos“, 
Rio de Janeiro,  17/24-04-1955, pp. 101 a 113 

Dienstag, 3. März 2015

DIE GEGENREVOLUTIONÄRE BEDEUTUNG DES WERKES ZWEIER HEILIGEN

Plinio Corrêa de Oliveira schrieb folgenden Artikel für die katholische spanische Zeitschrift

“Cristiandad” - Barcelona - Nov. 1958
Wer die Geschichte mit den Augen des Glaubens betrachtet und in ihrem Lauf die Eingriffe der Vorsehung zu Gunsten der Heiligen Kirche herauszufinden weiß, wird die beeindruckende Übereinstimmung und Harmonie zweier Heiligen bemerken: des hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort und der hl. Margareta Maria Alacoque.

Als sich die revolutionäre Krebsgeschwulst bildete

Beide lebten in Frankreich in einer höchst wichtigen Zeit der Weltgeschichte. Im tiefsten Grund der französischen Gesellschaft entwickelten sich weiterhin mit aller Kraft die Keime der ideologischen Bewegungen des 16. Jahrhunderts. Noch unauffällig verbreiteten sich wie ein unterirdischer reißender Wasserstrom die Tendenzen in Richtung Rationalismus, Laizismus und Liberalismus in den einflussreichsten Kreisen der Gesellschaft. Der langsame aber unerbittliche Untergang der Aristokratie und der Zünfte der Handwerker und Händler, und gleichzeitigem immer sichtbareren Aufstieg des Bürgertums, bereitete von Weitem schon die gesellschaftliche Form her, die die Revolution von 1789 hervorbringen würde.
Mit einem Wort, lange im Voraus aber seit ihrem Anfang mit einer Kraft ausgestattet, die sich bald als menschlich fast unaufhaltsam erweisen sollte, wuchs die Revolution wie ein Krebsgeschwür in den Eingeweiden eines noch gesunden Organismus.
Historische Prozesse wie dieser müssten vorzüglich in ihrem Keimstadium aufgehalten werden. Denn, wenn man seine Entwicklung zulässt, wird es immer schwerer sie abzuwürgen.

Der Eingriff der Vorsehung, um die Revolution zu vermeiden

So ist es wichtig hervorzuheben, dass genau in dem Moment, in dem eine Aktion zur Abwehr der Revolution am zweckmäßigsten und wirksamsten schien, die Vorsehung in Frankreich zwei Heilige mit einer eindeutigen und speziellen Aufgabe in diese Richtung hervorrief. Eine Aufgabe, die sich hauptsächlich und direkt an die „erstgeborene Tochter“ der Kirche richtete, aber indirekt der ganzen Welt zugute kommen würde. Denn einerseits hätte die Vernichtung „in ovo“ der revolutionären Keime in Frankreich die Katastrophen der Revolution für die ganze Welt verhindern können; andererseits würde ein hervorragender Sieg der Religion in einem führenden europäischen Land im 18. Jahrhundert unvorstellbare Auswirkungen in der religiösen und kulturellen Geschichte der Menschheit hervorbringen.
König Ludwig XIV. regierte von 1643 bis 1715. Die hl. Margareta Maria lebte von 1617 bis 1690. Der hl. Ludwig von Montfort wurde 1673 geboren und starb 1716. Wie man sieht, geschahen die Mission der heiligen Nonne im Orden der Schwestern der Heimsuchung, der das Herz Jesu seine Botschaft der Liebe offenbarte und die Predigten des großen Apostels, der die „wahre Andacht zur Heiligsten Jungfrau“ gelehrt hat in der gleichen Zeit der Regierung des Sonnenkönigs.

Der antirevolutionäre Sinn der Botschaft von Paray-le-Monial

Die Leser von „Cristiandad“ kennen sicher schon die Bitten, die Unser Herr über die hl. Margareta Ludwig XIV. zukommen ließ. Sie wissen, dass das Herz Jesu für Frankreich große Prüfungen voraussagte, aber auch versprach, sie verhindern zu können, wenn seine Bitten gehört werden würden. Sie wissen auch, da Ludwig XIV. den Bitten Unseres Herren nicht nachkommen wollte – vielleicht durch heute noch nicht bekannten Informationen und Machenschaften –, versprach Ludwig XVI. während seiner Gefangenschaft im Tempel, die Bitten Jesu zu erfüllen. Doch es war zu spät. Die Revolution ging ihren eingenommenen Kurs weiter, zu unser aller Unglück.
Wichtig ist aus diesen Fakten im Moment festzuhalten, dass vom Zentrum Frankreichs, von Paray-le-Monial aus, die Vorsehung im „Christlichsten Königreich“ einen Feuerherd der Frömmigkeit und ein Brennpunkt der sittlichen Erneuerung entzünden wollte, um die später eintretenden Katastrophen zu verhindern.
Im gleichen Sinn berief die Vorsehung im Westen Frankreichs eine weitere Bewegung.

Vorläufer und Patriarch der Gegenrevolution

So wie die hl. Margareta Maria, hatte auch der hl. Ludwig von Montfort keine Spur von persönlichen politischen Gedanken. Er sah für sein Vaterland und für die Kirche große Katastrophen voraus. Aber sein Blick richtete sich ausschließlich auf die tiefen Ebenen in denen sich diese Katastrophen vorbereiteten. Seine Schriften deuten eine religiöse und sittliche Krise von großem Ausmaß an, aus der, wie aus der Büchse der Pandora, jede Art von Übel hervortreten würde. Um diese Übel zu verhindern, sprach er seine flammenden Predigten, die von den Bauern des frommen Westens gierig gehört wurden. Es waren geistliche Lehren, die er in etlichen Werken zusammenfasste, von denen die „Abhandlung von der wahren Andacht zu Maria“, der „Rundbrief an die Freunde des Kreuzes“ und „Die Liebe zur ewigen Weisheit“ die wichtigsten waren.
Diese drei monumentalen – leider wenig bekannten – Werke gründlich analysiert, sind eine Widerlegung aller Irrlehren, aus denen das Monstrum der Französischen Revolution später geboren würde. Eine Revolution „sui generis“ (einzig in ihrer Art). Die Werke des hl. Ludwig hatten nicht vorrangig das Ziel die zweifelnden, sinnlichen, naturalistischen Geister zu überzeugen, dass sie im Irrtum waren. Seine wichtigste und größte Sorge war, die eifrigen und lauen Katholiken vor diesen Irrtümern zu warnen und zu bewahren. So bestand seine ganze Dialektik die Liebe zur Weisheit seinen Lesern einzuschärfen, um sie vor dem Laizismus oder der Lauheit zu schützen; die Liebe zum Kreuz den Menschen einzuschärfen, um sie gegen die Sinnlichkeit und die tosende Genusssucht einer unsittlichen und mondänen Epoche zu bewahren; und die Verehrung Mariens durch das „heilige Sklaventum“ den Menschen einzuschärfen, um sie vor den ständigen Arglisten eines echten verdeckten Kalvinismus, wie es der Jansenismus war, zu warnen.
In all seinen Werken ist die Dialektik die gleiche. Er zeigt mit Argumenten aus der Heiligen Schrift, der Tradition, der Kirchengeschichte und dem Leben der Heiligen, dass ein Katholik keinesfalls mit dem Zeitgeist paktieren darf, und dass jede Mittelstellung zwischen diesem Geist und dem Frömmigkeitsleben nichts weiter als ein gefährliches Blendwerk der Sinne oder des Teufels ist.

Maria in den Predigten des hl. Ludwig

In diesem gesamten System muss hervorgehoben werden, dass die Verehrung der Muttergottes, besonders als Königin des Weltalls, als Muter Gottes und der Menschen und als Mittlerin aller Gnaden eine absolut zentrale Rolle spielt. Durch diese Andacht kann der Gläubige die Weisheit und die Liebe zum Kreuz von Gott erhalten. Denn Maria ist das Mittel, durch das Jesus zu uns kam und durch das wir zu ihm gehen sollen. Je mehr wir mit Maria vereint sind, desto mehr werden wir mit Jesus vereint sein. Der Heilige Geist bildet Jesus in den marianischen Seelen, die intensiv, glühend und kindlich marianisch sind. Ohne Maria scheitern die größten Bemühungen zur persönlichen Heiligung. Mit ihr aber ist alles erreichbar, was unserer Schwachheit unerreichbar scheint, alle Wege werden frei, alle Türen öffnen sich, und unsere Kräfte, die wir aus dem Kanal der Gnaden schöpfen, vervielfältigen sich. Das wichtigste ist also, ein wahrer Verehrer Mariens zu sein.
Doch es gibt auch Fälschungen dieser Andacht. Der Heilige weist sie aus und warnt uns vor den Minimalisten und vor allem vor denen, die sich mit einer hohlen Andacht, die nur aus äußerlichen Formeln und Frömmigkeitsübungen besteht. Die vollkommene Andacht lehrt er uns: Sie besteht darin, dass wir Sklaven Mariens werden und ihr alle unsere geistlichen und zeitlichen Güter übergeben und alles für sie, mit ihr und in ihr tun.

Gegenrevolutionäre Früchte der Predigten des hl. Ludwig

Der hl. Ludwig war ein großer Verfolgter. Prälaten, Fürsten der Kirche, die Regierung bekämpften ihn heftig. Nur der Papst und einige wenige Bischöfe in Frankreich unterstützten ihn. In der Bretagne, im Poitou und Aunis konnte er frei predigen, was der Bevölkerung für Generationen zur Erhaltung des Glaubens zugute kam. Als während der Revolution die christliche Zivilisation Helden benötigte, um sie in Frankreich zu verteidigen, erhoben sie sich mehr oder weniger im ganzen „Christlichsten Reich“. Aber in einer gewissen Region griff das ganze Volk zu den Waffen und bauten eine massive, kompakte, ungestüme und unbeugsame Reaktion auf. Die „Chouans“, dessen Gedenken kein Katholik ohne eine tiefe und religiöse Ergriffenheit hervorrufen kann, waren die Enkel der Bauern, die vormals der hl. Ludwig in die wahre Andacht zu Maria eingeführt hatte. Wo der hl. Ludwig gepredigt hatte und angenommen wurde, bekam die gottlose und frevelhafte Revolution keine Chance, es bildete sich, im Gegenteil, ein Kreuzzug, eine Gegen-Revolution.
 
Die Bedeutung der hl. Margareta Maria und des hl. Ludwig von Montfort in der Gegenwart

Es ist unbedeutend nachzuforschen in welchem Maße die Bewegungen von Paray-le-Monial und der Vendée im 17. Jahrhundert sich gegenseitig kannten. Die Wichtigkeit beider beschränkte sich nicht auf jene Zeit. Als Kinder der Kirche in diesem tragischen 20. Jahrhundert können und müssen wir beide Bewegungen unter einer einzigen Perspektive sehen, und in dieser Einheit sie als einen  geistlichen Schatz betrachten.
Der wesentliche Zusammenhang ist heute so klar im Gewissen eines jeden Gläubigen, dass es garnicht nötig ist, speziell darauf hinzuweisen. Die Andacht zum Heiligsten Herzen Jesu ist der kostbarste, äußerste, zärtlichste Liebeserweis Unseres Erlösers uns gegenüber. Der Weg um zum Herzen Jesu zu kommen, ist die Mittlerin aller Gnaden. Und so geht man zum Herzen Jesu durch das Herz Mariens. Diese Andacht zum Herzen Mariens, die der hl. Antonius Maria Claret so sehr ins Licht setzte, scheint dem hl. Ludwig nicht bekannt gewesen zu sein. Aber es ist der Verbindungspunkt zwischen der Botschaft von Paray-le-Monial und der Verkündigung des marianischen Apostels der Vendée. Ein Verbindungspunkt, der, nebenbei gesagt, sehr in der Botschaft von Fatima hervorgehoben wurde.
Doch außer diesen grundsätzlichen Banden gibt es noch andere.
Wir können sie in einem raschen Überblick gut verstehen, wenn wir überlegen, was heute Frankreich und die christliche Zivilisation und die Welt sein könnten, wenn beide Bewegungen, Paray-le-Monial und die Vendée, in den 17. und 18. Jahrhundert siegreich hervorgegangen wären. An Stelle der Revolution mit all ihren abscheulichen Folgen, die uns bis hin zum gegenwärtigen Schlund mitgerissen haben, hätten wir ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens. „Opus justitiae pax“ liest man auf dem Wappen Pius XII. Ja, der Frieden Christi im Reiche Christi, von dem wir uns aber immer weiter entfernen.
So haben wir also die enorme Aktualität der Botschaft von Paray-le-Monial und das Werk des hl. Ludwig Maria hervorgehoben. Sie lehren uns, dass der Grund der Probleme, die die gegenwärtige Krise hervorgebracht hat, religiös und sittlich ist. Sie zeigen uns auch die übernatürlichen Mittel, durch die die weltweite Revolution unserer Tage, die die unverschämte und verderbliche Tochter der Französischen Revolution ist, erwürgt werden kann. Nur aus dem guten Gebrauch dieser Mittel können auf kultureller, sozialer und politischer Ebene die Reaktionen hervorkommen, um auf der Welt das Reich Christi durch das Reich Mariens vorzubereiten.

Plinio Corrêa de Oliveira

São Paulo, Oktober 1958


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